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Stel­lung­nahme der GEPS ver­ab­schiedet in der Prä­si­di­ums­sitzung der GEPS-Deutschland am 18.01.2014

Was ist Heim-Moni­toring? Was ist Über­wa­chung von Kindern?

Grund­sätzlich kann man zwei Formen der Über­wa­chung von Kindern zu Hause, Heim-Moni­toring, unter­scheiden: Über­wa­chung mit sog, medi­zi­ni­schen Heim-Moni­toren und Über­wa­chung mit einer Über­wa­chungs­matte wie z. B. dem „Angelcare“ oder anderen Sys­temen, wie z. B. dem „Snuza“. Diese beiden Formen der Über­wa­chung unter­scheiden sich dahin­gehend, dass ein medi­zi­ni­sches Über­wa­chungs­system über Elek­troden (ver­ka­belte Plättchen), die auf den Körper des Kindes geklebt werden, Atmung und Herz­aktion und/oder die Sau­er­stoff­sät­tigung über­wacht und Alarm schägt, wenn eine dieser Funk­tionen nicht im ein­ge­stellten Grenz­be­reich regis­triert wird, die anderen Systeme nur am Bauch anliegend (z. B. „Snuza“) oder unter der Matratze liegend (z. B. „Angelcare“), über eine hohe Sen­si­bi­lität ent­spre­chender elek­tro­ni­scher Fühler Bewegung regis­trieren und wenn diese länger als 15–20 Sekunden keine Bewegung regis­trieren, Alarm schlagen (vergl. auch „Stel­lung­nahme zu Über­wa­chungs­matten“). In dieser Stel­lung­nahme geht es aus­schließlich um das medi­zi­nische Heim-Monitoring.

Bis­herige For­schung zum SID und grund­sätz­liche Risikosenkung

Der Plötz­liche Säug­lingstod ist ein plötzlich und uner­wartet ein­tre­tendes Ereignis, dessen Ursache weder durch die Vor­ge­schichte noch durch eine sorg­fältige Unter­su­chung nach dem Tod geklärt werden kann. Diese Defi­nition des P.S. besagt bereits, dass nicht eine defi­nierte Erkrankung zum Plötz­lichen Säug­lingstod führt, sondern dass lediglich die Umstände des Todes beschrieben werden können. For­scher sind sich mehr­heitlich einig, dass der P.S. ein mul­ti­fak­to­ri­elles Ereignis ist, d.h. dass ver­schiedene Fak­toren zusammen kommen müssen, damit der Tod ein­tritt. Durch welt­weite, intensive For­schung in den letzten 30 Jahren sind ver­schiedene Risi­ko­fak­toren bekannt geworden. Es wurden durch weiter fort­ge­führte For­schung neue Risi­ko­fak­toren defi­nierbar und auch echte Ursachen für einen plötz­lichen und uner­war­teten Tod im Säug­lings- und frühen Kleinst­kin­des­alter bekannt (Stoff­wech­sel­de­fekte, Herz­rhyth­mus­stö­rungen, ver­schiedene virale Infek­tioen mit töd­lichem Ausgang.…) Nicht geklärt ist dagegen die Kon­stel­lation der Risi­ko­fak­toren, die zu einem uner­klärten, uner­war­teten plötz­lichen Tod im Säug­lings­alter führt (Plötz­licher Säuglingstod=SID). Damit kann er nicht gänzlich ver­hindert werden.
Kinney und Kahn haben ein sehr anschau­liches Modell für den P.S. entwickelt

SID – ein mul­ti­fak­to­ri­elles Ereignis (BILD)

Die aus der For­schung gewon­nenen Kennt­nisse über SID-Risi­ko­fak­toren kann man heute sicherlich nutzen, um auch das indi­vi­duelle SID-Risiko des ein­zelnen Kindes zu mini­mieren, das sind Fak­toren aus dem oberen linken Kreis (Kreis 1) und dem unteren Kreis (Kreis 2) im Diagramm.
Große Anstren­gungen sind in den letzten Jahren unter­nommen worden, um die Öffent­lichkeit, junge Eltern und Betreuer kleiner Kinder über Fak­toren auf­zu­klären, die in ihrem direkten Ein­fluss­be­reich liegen und damit letztlich alle Säug­linge betreffen. Dieser Ein­fluss­be­reich bezieht sich vor allem auf die Schlaf­po­sition und die Schlaf­um­gebung des Kindes. Durch Bekannt­ma­chung dieser Fak­toren und Beher­zigung durch die Betreuer kleiner Kinder konnten die Zahlen der am SID ver­stor­benen Kinder in den letzten 25 Jahren um 90% in Deutschland gesenkt werden.

Fol­gende Maß­nahmen werden empfohlen:

  • Legen Sie Ihr Kind zum Schlafen auf den Rücken, ver­meiden Sie die Bauchlage so lange wie irgend möglich als Schlafposition
  • Ver­meiden Sie die Über­de­ckung des Kindes. Ver­wenden Sie einen Schlafsack und keine Bettdecke
  • Das Risiko für den SID steigt mit jeder während der Schwan­ger­schaft und in der Umgebung des Säug­lings gerauchten Ziga­rette an. Achten Sie daher auf eine rauch­freie Umgebung, auch schon während der Schwangerschaft
  • Stillen Sie Ihr Kind nach Mög­lichkeit 6 Monate voll
  • Schützen Sie Ihr Kind vor Über­wärmung und Rück­atmung von Ausatemluft

 

Die Emp­feh­lungen haben sich aus großen epi­de­mio­lo­gi­schen Studien ergeben.
Fak­toren vor allem aus dem Risi­ko­kreis 1 (Risi­ko­fak­toren, die das Kind selber mit­bringt) (z. B. hoch­stei­gende Magen­säure bis zum Kehlkopf (GÖR) => ver­län­gerte Atem­pausen;- starke Anämie => Sau­er­stoff­un­ter­ver­sorgung), aber auch z. T. aus dem Risi­ko­kreis 2 (beein­flussbare Risi­ko­fak­toren) (z. B. Sau­er­stoff­un­ter­ver­sorgung unter der Geburt) lassen aus medi­zi­nisch-phy­sio­lo­gi­scher Sicht auf ein erhöhtes Risiko schließen, da sie eine gesund­heit­liche Beein­träch­tigung des Kindes nach sich ziehen können. Sie lassen sich z. T. durch ent­spre­chende Unter­su­chungen (Poly­s­om­no­gra­phien, EKG, EEG usw.) dia­gnos­ti­zieren und sind dann u. U. auch behan­delbar, oder stellen u. U. auch eine Rei­fe­störung dar, die sich auswächst.
Andere Fak­toren werden von Eltern als auf­fal­lendes Ver­halten des Kindes beob­achtet (extreme Blässe, Gewichts­still­stand, extremes Schwitzen, plötz­liche Tonus­lo­sigkeit), ohne dass man durch ent­spre­chende Unter­su­chungen eine Erklärung findet.
Ein kleiner Teil plötz­licher Todes­fälle im Kin­des­alter (ca. 3–6%) geht auf erb­liche Ursachen (z. B. Stoff­wech­sel­er­kran­kungen) zurück, die durch geeignete Unter­su­chungen und ent­spre­chend ein­ge­leitete Maß­nahmen aus­ge­schlossen werden können, die aber wegen feh­lender Unter­su­chungen nach dem plötz­lichen Tod eines Kindes innerhalb einer Familie oft nicht aus­ge­schlossen worden sind.

Über die Kon­stel­lation von Risi­ko­fak­toren, unter der ein Kind als SID-Risi­kokind ein­ge­stuft wird und infol­ge­dessen dann ein elek­tro­ni­sches Über­wa­chungs­gerät für dieses Kind zu Hause ein­ge­setzt werden sollte, sind sich For­scher und Ärzte nicht einig.
Einig sind sich aber alle For­scher, dass die Kinder, die plötzlich und uner­wartet starben, zu über 90% vorher nicht einer medi­zi­nisch defi­nierten Risi­ko­gruppe zuge­ordnet waren und damit in den bis zum Tod durch­ge­führten Rou­ti­ne­un­ter­su­chungen nicht auf­fällig geworden sind.

Senkung des SID-Risikos durch medi­zi­ni­sches Heim-Monitoring?

Selbst wenn man davon aus­gehen würde, dass alle mit einem medi­zi­ni­schen Heim­mo­nitor über­wachten Kinder ihr gefähr­detes Alter überlebt hätten, kann die Gesamt­häu­figkeit des P.S. nach Ein­führung des medi­zi­ni­schen Heim­mo­ni­to­rings somit nicht maß­geblich gesunken sein, denn es wurden bislang nur Kinder aus sog. medi­zi­nisch fest­ge­legten Risi­ko­gruppen, die immer unter­schiedlich defi­niert wurden und werden, überwacht.
Ein wis­sen­schaft­licher Beweis für die Effek­ti­vität des Heim­mo­no­torings ist daher bisher noch nicht erbracht worden – der Beweis der Inef­fek­ti­vität aber ebenso wenig. Der Beweis der Effek­ti­vität des medi­zi­ni­schen heim-Moni­toring wird auch sicher immer schwie­riger, da – Gott sei Dank – immer weniger Kinder am SID sterben.Die Fra­ge­stellung der Effek­ti­vität lässt sich all­gemein betrachtet nur sehr schwer dis­ku­tieren. Wie auch?! Sollte man dem einen Kind ein Gerät ver­ordnen, dem anderen nicht, und dann über­prüfen, was pas­siert? Vom Ansatz schon ethisch nicht vertretbar.

Äußere Bedin­gungen, unter der ein Heim-Moni­toring effektiv, d. h. u. U. zur Lebens­rettung eines Kindes bei­tragen kann, lassen sich aber sehr wohl fest­legen. Ebenso muss es möglich sein, indi­vi­duelle kind­liche Vor­aus­set­zungen für die Heim­über­wa­chung fest­zu­legen. Zweifelt man die Effek­ti­vität des Heim-Moni­to­rings grund­sätzlich an, dann müsste man die Effek­ti­vität von elek­tro­ni­schen Über­wa­chungs­ge­räten auch im kli­ni­schen Alltag ebenso in Frage stellen.
Sinn jeg­licher Über­wa­chungs­geräte, ob im kli­ni­schen oder häus­lichen Alltag ist in erster Linie die früh­zeitige Erkennung von lebens­be­droh­lichen Stö­rungen im Orga­nismus eines Kindes, um ent­spre­chende Maß­nehmen so recht­zeitig ein­leiten zu können, dass das Kind diese Situation ohne Schaden überlebt. Eine Garantie für das Über­leben erhält man aber so weder in der Klinik noch zu Hause.

Für ein sinn­volles Heim-Moni­toring ergeben sich zwin­gende Anfor­de­rungen an die Seite der Eltern, an die Seite der Ärzte, an die Seite der Gerä­te­leis­tungen und an die Seite der Monitorlieferfirmen.

Anfor­de­rungen an die Elternseite

  • Ständige Anwe­senheit einer Betreu­ungs­person, die die Wie­der­be­le­bungs­maß­nahmen für einen Säugling prak­tisch und theo­re­tisch trai­niert hat und beherrscht
  • Ständige Anwe­senheit einer Betreu­ungs­person, die das Handling mit dem ver­ord­neten Über­wa­chungs­gerät sicher beherrscht und Alarm­si­tua­tionen richtig ein­schätzen kann (kind­licher Alarm, Gerä­te­alarm, Vor­ge­hens­weise in der Alarmsituation)
  • Regel­mäßige Kon­takt­pflege mit Ärzten, die mit dem ver­ord­neten Über­wa­chungs­system und dem Kind ver­traut sind

 

Anfor­de­rungen an die Ärzteseite

  • Mit den Über­wa­chungs­ge­räten ver­traute Ärzte, die während der gesamten Über­wa­chungszeit den Eltern als Ansprech­partner zur Ver­fügung stehen und elter­liche Sorgen und Beob­ach­tungen ernst nehmen, bes­ten­falls eine Anbindung des Über­wa­chungs­systems über Modem und Internet in ein zer­ti­fi­ziertes Kinder-Schlaflabor
  • Regel­mäßige Angebote zum Wiederbelebungstraining
  • Durch­führung einer Poly­s­om­no­graphie, wenigstens zum Ende der Überwachungszeit
  • Durch­führung einer gründ­lichen Unter­su­chung, z. B. Poly­s­om­no­graphie, EKG, EEG, Sono­graphie aller inneren Organe und Stoff­wech­sel­screening zu Beginn der Überwachung

 

Anfor­de­rungen an Geräteleistungen

Bei der Auswahl der Geräte muss ein guter Kom­promiss zwi­schen Über­wa­chungs­si­cherheit (Puls­o­xi­meter mit der höchsten Über­wa­chungs­si­cherheit) und Bedie­ner­freund­lichkeit (Größe des Gerätes, Gewicht des Gerätes, Strom­netz­ab­hän­gigkeit, Akku­leistung, Fehl­alarms­häu­figkeit) getroffen werden. Eine hohe Über­wa­chungs­si­cherheit – wie beim Puls­o­xi­meter – die aber u. U. gekoppelt ist mit einer hohen Fehl­alarms­häu­figkeit wird zwangs­läufig zu gestressten und irri­tierten Eltern führen, die die gehäuften Alarme auf­grund großer Angst aus­halten oder sich gegen die Über­wa­chung ent­scheiden, das Gerät abschalten und unge­nutzt im Schrank stehen lassen.
Die größt­mög­liche Sicherheit, gekoppelt mit mög­lichst wenig Fehl­alarmen bietet heute aus Sicht der GEPS Deutschland e.V. als Eltern­selbst­hil­fe­or­ga­ni­sation die Herz-Atem-Über­wa­chung. Dazu gibt es ver­schiedene Gerä­te­typen mit unter­schied­lichen Über­wa­chungs­tech­niken. Begrü­ßenswert sind sicherlich Spei­cher­geräte mit Kur­ven­spei­cherung, die es ermög­lichen, die Alarm­si­tuation nach­zu­voll­ziehen und zu analysieren.


Anfor­de­rungen an die Seite der Monitorlieferanten

  • Umfas­sende Ein­weisung in die Benutzung der Geräte und Inter­pre­tation von Alarmen
  • 24h-Service: Ansprech­barkeit für Eltern, Aus­tausch von defektem Material, Abklärung von Alarmen
  • regel­mä­ßiges Aus­lesen von Spei­chern und Über­mittlung der Daten an den betreu­enden Arzt
  • enge Zusam­men­arbeit mit dem betreu­enden Arzt

 

Wann ist die Ver­ordnung eines Monitors sinnvoll?

Zunächst müssen alle vor­ge­nannten Anfor­de­rungen erfüllt sein. Die Ein­stufung eines Kindes als Risi­kokind ist derzeit arzt­ab­hängig und daher nicht einheitlich.
Aus der Sicht der GEPS Deutschland als Eltern­selbst­hil­fe­or­ga­ni­sation kann auch ein aus medi­zi­ni­scher Sicht nur geringes Risiko Indi­ka­ti­ons­grund genug sein; d. h. im Zweifel sollte eher eine Ver­ordnung aus­ge­stellt als abge­lehnt werden. Ein drin­gender Wunsch der Eltern sollte sehr ernst genommen werden, ihr Wunsch nach einer Über­wa­chung ihres Kindes sollte ihnen nicht „aus­ge­redet“ werden.

Nach den Emp­feh­lungen der GEPS Deutschland e.V. sollte man den Eltern ein Heim­mo­ni­toring für ihr Kind ermög­lichen, wenn das zur Über­wa­chung anste­hende Kind

  • ein Fol­gekind nach SID
  • ein über­le­bendes Mehr­lingskind nach SID
  • ein Früh­ge­bo­renes, das vor der 30. SSW geboren wurde
  • ein Neu­ge­bo­renes, das small-for-date (mit einem viel zu geringen Geburts­ge­wicht) geboren wurde
  • ein Kind mit einem lebens­be­droh­lichen Ereignis in den ersten beiden Lebensjahren
  • ein Kind nach nach­ge­wie­senen Atem- und Herzstörungen
  • ein Kind nach Lang­zeit­be­atmung mit broncho-pul­mo­naler Dysplasie
  • ein Kind mit auf­fäl­ligem Polysomnogramm
  • ein Kind von dro­gen­ab­hän­gigen Eltern ist.

 

wenn die Eltern große Angst vor dem Plötz­lichen Säug­lingstod haben und ein nor­maler Alltag zwi­schen Eltern und Kind so erschwert ist.

Die letzte Ent­scheidung für die Bewil­ligung des Gerätes und der Über­nahme der Über­wa­chungs­kosten durch die Kran­ken­kasse kann nur von aus­ge­suchtem, fach­kom­pe­tentem medi­zi­ni­schen Per­sonal getroffen werden, was mit der Über­wa­chung von Kindern ver­traut ist. Es kann nicht sein, dass ein ein­ge­schal­teter medi­zi­ni­scher Dienst die Bewil­ligung eines ärzt­li­cher­seits ver­ord­neten Monitors verwehrt.

Eine Über­wa­chung sollte dann kon­se­quent unter allen genannten Bedin­gungen u. U. vom ersten Lebenstag bis min­destens zum Ende des ersten Lebens­jahres durch­ge­führt werden, aber erst dann beendet werden, wenn in den letzten drei Monaten der Über­wa­chung kein echter Alarm oder eine lebens­be­droh­liche Situation mehr auf­ge­treten oder im Speicher aus­lesbar ist. Bei Mehr­lingen sollten die Ereig­nisse der gleich­alt­rigen Geschwister mit in diese Ent­scheidung einfließen.

Allen Betei­ligten muss vor der Über­wa­chung klar sein, dass der Monitor als solches das Leben des Kindes nicht retten kann, sondern lediglich als Signal­geber den Beginn des Ein­satzes am Kind in einer bedroh­lichen Situation verkürzt.
Der Aus­tausch der Eltern mit anderen, die bereits Moni­tor­er­fahrung haben, ist oft im täg­lichen Handling sehr hilfreich.

Münster, 18.01.2014
Verfasserin/Autorin: Hil­degard Jorch
Prä­si­dentin der GEPS-Deutschland e.V.

 


 

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