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Grund­sätz­liche Posi­tionen der GEPS zum SID ver­ab­schiedet in der Prä­si­di­ums­sitzung der GEPS-Deutschland e.V. am 16.06.2007 in Frankfurt)

Der Plötz­liche Säug­lingstod, Plötz­liche Kindstod oder inter­na­tional auch als Sudden Infant Death (SID) bezeichnet, ist der plötz­liche und uner­wartete Tod eines Kindes in den ersten beiden Lebens­jahren, der auch nach aus­führ­licher Obduktion und Ana­mnese uner­klärlich bleibt. In Deutschland bestimmt er derzeit mit 30% maß­geblich die Säug­lings­sterb­lichkeit und stellt damit die häu­figste Todesart bei Kindern unter einem Jahr dar. Die meisten dieser Kinder sterben im ersten Lebenshalbjahr.
Durch nationale und inter­na­tionale For­schung in den letzten 20 Jahren ist es gelungen, Risi­ko­fak­toren zu benennen und diese seit 1991 durch ent­spre­chende Prä­ven­ti­ons­kam­pagnen der all­ge­meinen Bevöl­kerung zugänglich zu machen. Somit ist ein direkter Bezug zur Bekanntgabe bisher erkannter Risi­ko­fak­toren und zum Absinken der SID-Zahlen festzustellen.

Die eigent­lichen Ursachen für den Plötz­lichen Säug­lingstod sind aber nach wie vor nicht bekannt.
Durch die For­schung konnte jedoch eine Reihe von Risi­ko­fak­toren iden­ti­fi­ziert werden.

Diese bringen die Kinder zum Teil mit

  • behan­delbare Stoffwechselerkrankungen,
  • Unter­ge­wich­tigkeit bei der Geburt,
  • Mehr­lingskind,
  • nach­fol­gende Geschwister eines mit der Dia­gnose SID ver­stor­benen Kindes,
  • ALE-Kind = Kind nach anscheinend lebens­be­droh­lichem Ereignis; Kind, das leblos gefunden wurde.

 

Einige Risi­ko­fak­toren können die Eltern beobachten

  • z. B. extreme Blässe,
  • häu­figes Blau­werden oder Bleichwerden,
  • gas­tro­öso­pha­gealer Reflux (Nah­rungs­rück­fluss vom Magen in die Speiseröhre).

 

Die dritte Gruppe von Risi­ko­fak­toren können Eltern und Betreu­ungs­per­sonen selbst beeinflussen:

  • Schlaf­po­sition des Kindes,
  • Rauchen während der Schwan­ger­schaft und in Anwe­senheit des Kindes,
  • Über­wärmung,
  • Über­de­ckung und Rückatmung,
  • frühes Abstillen.

 

Allein durch die Bekanntgabe des Risi­ko­faktors Bauchlage und Umsetzung des Warn­hin­weises durch die Betreu­ungs­per­sonen sind die SID-Zahlen in Deutschland in den letzten 15 Jahren um 40–50% gesunken.

Es besteht heute weit­gehend Einigkeit, dass es sich beim Plötz­lichen Säug­lingstod um ein mul­ti­fak­to­ri­elles Ereignis handelt. Aller­dings sind weder alle Ein­fluss­größen für den SID noch die Kon­stel­lation der Fak­toren bekannt, die dann im kon­kreten Fall mit hoher Wahr­schein­lichkeit zum Tode führen.
Demnach lässt sich das Risiko für das ein­zelne Kind durch Aus­schalten der Risi­ko­fak­toren sehr deutlich senken. Solange aber die eigent­lichen Ursachen für den Plötz­lichen Säug­lingstod nicht bekannt sind, lässt sich der SID weder durch das Aus­schließen aller derzeit bekannten Risi­ko­fak­toren noch durch eine Moni­tor­über­wa­chung der Kinder mit abso­luter Sicherheit ver­hindern. Mit jedem ver­mie­denem Risi­ko­faktor sinkt aber nach­weislich die Gefahr. Daher ist es unbe­dingt erfor­derlich, alle mit der Ver­sorgung von Babys betrauten Per­sonen umfassend zu infor­mieren und auch flä­chen­de­ckend Kurse zur Wie­der­be­lebung von Säug­lingen anzubieten.

Solange die Ursachen für den Plötz­lichen Säug­lingstod nicht ein­deutig iden­ti­fi­ziert und aus­ge­schlossen werden können, werden Babys wei­terhin dieses Schicksal erleiden und sterben. Zurück bleiben ver­zwei­felte Eltern, oft auch Geschwister, Groß­eltern, Ver­wandte und Freunde der Familie.

Hier ist eine umfang­reiche Betreuung der betrof­fenen Familien erfor­derlich sowohl in der Akut­si­tuation durch Kri­sen­in­ter­ven­ti­ons­dienste und Not­fall­be­gleiter wie auch eine wei­ter­ge­hende beglei­tende Betreuung z. T. über Jahre hinweg in Ein­zel­ge­sprächen oder Grup­pen­treffen im Rahmen der Selbst­hilfe. Gemeinsam lachen und weinen hilft, mit diesem Schicksal weiterzuleben.

Ein ein­fühl­samer, adäquater Umgang aller Ver­treter von Ret­tungs­diensten, Ärzten, Polizei, Bestattern und Seel­sorgern mit den Eltern in der Akut­si­tuation und in den nächsten Tagen danach ist unbe­dingt erfor­derlich, um die Trauer nicht noch weiter unnötig zu erschweren. Dazu gehört sicher eine umfas­sende, sehr offene Auf­klärung der Eltern über die auch von der GEPS befür­wortete Obduktion, um Eltern von eigenen wie von Fremd­schuld­vor­würfen zu ent­lasten und um andere todes­ur­säch­liche Fak­toren (z. B. Infek­tionen, Stoff­wech­sel­er­kran­kungen, ange­borene Herz­fehler usw.) aus­zu­schließen. Eltern benö­tigen Infor­ma­tionen über den zu erwar­tenden zeit­lichen Ablauf, sachlich infor­mative Gespräche über die Grab­stätte des Kindes (Kinder‑, Fami­li­engrab) und über die Bestattung. Auch über mög­liche Hilfen von staat­licher Seite oder von kari­ta­tiven Ein­rich­tungen sollte mit den Eltern gesprochen werden.

Dazu ist ein schneller Kontakt von Berufs­grup­pen­ver­tretern vor Ort mit der Selbst­hilfe erfor­derlich, da nicht selten auch Anver­wandte und Freunde, selbst von hef­tigem Trau­er­schmerz erschüttert, nicht adäquat beraten und infor­mieren können.

Frankfurt, 16.06.2007
Verfasserin/Autorin: Hil­degard Jorch
Prä­si­dentin der GEPS-Deutschland e.V.

 


 

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