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Stellungnahme der GEPS erstellt im Februar 2013
Besteht ein Zusammenhang zwischen dem Plötzlichen Säuglingstod (SID) und einer Helicobacter-pylori-Infektion?
Medizinischer Hinergrund
Helicobacter pylori kommt weltweit vor, anscheinend ist der Mensch das wichtigste Reservoir. Schätzungen gehen davon aus, dass insgesamt fast die Hälfte der Weltbevölkerung Träger des Bakteriums ist. In Deutschland wird eines von 20 Kindern positiv getestet (5%), dieser Anteil steigt auf fast 50% (jeder zweite) bei älteren Erwachsenen (1) Betrachtet man allerdings Menschen mit Magen- und Zwölffingerdarm-Erkrankungen, so zeigt sich, dass diese zu einem sehr hohen Teil auch Träger des Helicobacter pylori sind. Beim Duodenal-Ulkus (Ulkus duodeni oder Zwölffingerdarmgeschwür) beträgt er fast 100%.
Das Bakterium Helicobacter pylori ist also sehr oft Ursache für eine Magenschleimhautentzündung oder auch ein Magengeschwür. Jeder zweite über Vierzigjährige hat es im Magen, muss aber dadurch nicht unbedingt krank sein. Dieses spriralförmige Bakterium überlebt die Magensäure und schädigt durch seinen Stoffwechsel die Magenwand. Möglicherweise ist es auch an der Entstehung von Magenkrebs beteiligt. (2)
Der Infektionsweg ist noch nicht eindeutig klar, manchmal ist das Bakterium im Stuhl, im Zahnplaque oder Speichel nachweisbar, möglicherweise läuft die Infektion aber auch über Lebensmittel.
Diagnose: histologischer und mikrobiologischer Nachweis in Gewebeproben aus der Magenschleimhaut, Urease-Schnelltest, Kohlenstoff-13-Ausatmungstest, Antikörper-bestimmung im Blut
Therapie: Kombinationstherapie von in der Regel zwei Antibiotika und weiterer Medikamente z. B. Magensäuresekretionshemmer, Wismut oder Antihistaminika zur Beseitigung der Helicobacter-pylori-Bakterien, Erfolgsrate: 80–90%, erneut auftretende Magengeschwüre bei bis 10% aller behandelten Menschen (3)
Studie an der Universität Manchester
Am 24. und 25 Oktober 2000 wurde unter der Überschrift „Bakterium verursacht plötzlichen Kindstod“ oder „Hoffnung im Kampf gegen plötzlichen Kindstod, Britische Forscher finden als Ursache ein Bakterium, das bekämpft werden kann“ sowohl in namhaften Printmedien wie auch im Fernsehen auf eine Studie von Dr. Jonathan Kerr der Universität Manchester im Jahre 1998 Bezug genommen, in der 32 am Plötzlichen Säuglingstod (SID) verstorbene Kinder und 8 Kontrollkinder untersucht wurden. Bei 28 von 32 (88%) der SID-Kinder fand man Hinweise auf eine Helicobacter-pylori-Infektion, dagegen nur bei einem der acht (12,5%) der Kontrollkinder.
Die Fallzahlen der untersuchten Kinder wie auch die der Kontrollkinder sind sehr klein. Dies ist auch dem Autor dieser Veröffentlichung bewusst, und er betont ausdrücklich, dass seine Studienergebnisse zunächst als vorläufige zu betrachten sind und sicher die Aussage, dass ein direkter Zusammenhang zwischen Helicobacter-Infektionen und SID besteht, erst durch weitere Untersuchungen untermauert und bestätigt werden müsse.
In einer Stellungnahme, die gegenüber der GEPS von Dr. Jonathan Kerr vom 26.10.2000 zu den deutschen Veröffentlichungen abgegeben wurde, heißt es: „An der Universität Manchester haben wir einen signifikanten vorläufigen Beweis eines hohen Vorkommens von Helicobacter pylori–Infektionen bei SID-Fällen im Vergleich zu Kontrollen gefunden; aber die Fallzahlen sind klein und müssen unabhängig von unseren Untersuchungen bestätigt werden.“ Joyce Epstein, als Präsidentin der englischen Elternselbsthilfeorganisation sagte zu den Veröffentlichungen in der Presse: „Dies sind interessante Befunde, die dazu beitragen können, zu erklären, warum Überdecken, Schlafen in Bauchlage und leichtere Infekte Schwierigkeiten für Babys bedeuten können. Zu diesem Zeitpunkt der Untersuchungen stellt diese Aussage, dass ein Zusammenhang zwischen einer Helicobacter-Infektion und dem SID besteht, aber nur eine Hypothese dar.“
Fazit und Empfehlungen
In seiner Presseerklärung am 20. Oktober 2000 betont Kerr selbst: „Wir möchten nachdrücklich darauf hinweisen, die bereits bekannten Risikofaktoren wie z. B. Schlafen in Bauchlage und Rauchen zu beachten.“ Ergänzend dazu empfiehlt Kerr weiter: „Weil Helicobacter pylori normalerweise in Zahnplaque und Speichel vorkommt, würde ich empfehlen, dass Eltern vermeiden sollten, Flaschensauger und Schnuller abzulecken oder an ihnen zu saugen, bevor sie sie den Kindern geben.“
Bezüglich des Küssens von Babys äußert sich Kerr in seiner Stellungnahme der GEPS am 26.10. 2000 gegenüber: „Obwohl es theoretisch möglich ist, dass dieses Bakterium durch das Küssen übertragen werden könnte, wurde in der Studie nicht gezeigt, dass dies vorkommt und ich glaube, dass dies höchst unwahrscheinlich ist.“
Werdende und junge Eltern weiter über die bekannten Risikofaktoren des Plötzlichen Säuglingstodes zu informieren, stellt derzeit die beste Voraussetzung dar, um eine weitere deutliche Senkung der Säuglingssterblichkeit zu erreichen. Nur durch die Aufklärung der Eltern und die Befolgung der bekannten Risikofaktoren durch Eltern ist es gelungen, die Anzahl der am Plötzlichen Säuglingstod sterbenden Kinder von 1990 bis zum heutigen Zeitpunkt um 80% zu senken. Dennoch sterben pro Jahr in Deutschland immer noch ca. 200 Kinder in den ersten beiden Lebensjahren am Plötzlichen Säuglingstod. Diese Zahlen können noch weiter gesenkt werden.
Die entscheidende Botschaft für Eltern ist daher, die bislang erforschten und in der SID-Prävention bewährten Risikofaktoren zu beachten:
- Legen Sie Ihr Baby zum Schlafen immer auf den Rücken. Es ist die sicherste Schlafposition, auch die Seitenlage birgt ein höheres Risiko.
- Vermeiden Sie das Rauchen während der Schwangerschaft und in Anwesenheit des Kindes.
- Vermeiden Sie das Risiko einer Überwärmung und der Rückatmung von Ausatemluft; die optimale Schlaftemperatur liegt zwischen 16–18°C.
- Schaffelle, Nestchen, wasserdichte Unterlagen sowie große oder viele Kuscheltiere haben in einem Bett für ein Kind unter zwei Jahren nichts zu suchen. Auch sie erhöhen das SID-Risiko!
- Bekleiden Sie das Baby mit einem passenden Schlafsack. Verwenden Sie keine Decken und Kissen im Bett (Näheres dazu in der Broschüre „Der sichere Babyschlafsack“).
- Stillen Sie Ihr Kind, wenn möglich, 6 Monate voll.
- Optimieren Sie die Schlafumgebung Ihres Babys.
Die GEPS hat einen kleinen Leitfaden veröffentlicht, der Eltern bei der Gestaltung der Schlafumgebung wertvolle Tipps vermittelt. Die Broschüre „Die optimale Schlafumgebung für Ihr Baby“ kann über das Bestellformular unter www.geps.de bezogen oder auch heruntergeladen werden.
Münster, 19.01.2013
Verfasserin/Autorin: Hildegard Jorch
Präsidentin der GEPS-Deutschland e.V.
(1): entnommen aus medizin.de
(2): entnommen aus Encarta
(3): entnommen aus Pschyrembel